Donnerstag, 29. April 2010

Ich trage Hosen!

Hosen und kein Beinkleid, T-Shirts und kein Top, Schuhe und keine farblich zum Rest abgestimmten Sneaker. Ich möchte keinen Ruf einholen und will kein wandelndes Image sein. Die Leute sollen sich nicht erschrecken, wenn ich ihnen begegne, sollen nicht in Ehrfurcht zucken oder mich auslachen für eine katastrophale Wahl, aber sie sollen sich auch nicht schämen. Ich kann auch gar nicht verstehen, warum man sich so sehr darum kümmert, was man wann wo anhat. Hauptsache, es ist gemütlich und man fühlt sich wohl, oder? Und mal im Ernst: Wer fühlt sich bitte in einer komplett zerrissenen, wieder genähten und dann für 45€ als Angebot gepriesenen Hose im Antischnitt wohl? Oder die Anzughosenschuhe! Schrecklich, wie ich finde. Die klappern mindestens genauso wie eine Frau auf Stöckelschuhen, haben einen Absatz, diese Alibischnürsenkel und die spitzzulaufende Vorderseite sind so unglaublich unbequem, dass ich beim bloßen rumstehen Fuß- und Kopfschmerzen bekomme. Beim besten Willen kann ich mir nicht vorstellen, wie man sich darin wohl fühlen soll. Das kann mir keiner erzählen bzw. die die das tun wollen, haben sich einfach nur schon an die Schuhe und die damit absolut bekloppte Gangart gewöhnt. Wer hat sich denn bitte diese Knigge in der High Society ausgedacht und warum folgen alle diesem zur Regel gewordenen Absatz?

Ich bin ja auch der Meinung, dass, nicht nur unsere sondern wirklich alle, aber ich beziehe mich vorerst nur auf unsere, Politiker deswegen solche gequälten Gesichter im Bundestag machen. Die haben nicht die Schnauze voll von ihrer Arbeit, die fühlen sich einfach nur unwohl. Wenn da so ein Stoiber wieder rumäht, dann bin ich mir sicher, dass er gerade seinen 500€ teuren Anzug von ChantalDolceVersace verflucht. Ich hab mir sogar sagen lassen, dass Schröder sich extra einen Anzug schneidern lassen musste, damit er seine typische Siegerpose abhalten konnte. Okay, zugegeben, die Sackos und Jacketts finde ich sehr schick, sehr klassisch und elegant, damit ist man(n) filigran ohne irgendwas tun zu müssen, aber die Arme kann man damit dennoch nicht gut heben.

Einmal angenommen, Politiker würden in den bequemen Klamotten Diskurse abfertigen - wie toll wäre das denn bitte? Ich wette, wir würden die „Hab keine bessere Idee, aber ich bin auf jeden Fall dagegen“-Hürde knacken und förderliche Strukturen in den von uns gewählten Köpfen schaffen. Ein sympathischerer Wulff im Rollkragenpullover, der komplizierte Gysi mal ganz einfach in Sandalen, sogar unser jetzt schon stark charismatischer Wowereit würde in Nikesneakern frischen Wind in die Politik bringen – und damit auch Zugang zu einer vollkommen neuen Zielgruppe, um die sich letzten Endes ja alles dreht: Jugendliche. Was würde die jüngere, kollektive Nationalinteresse eher anziehen, als ältere Menschen in Machtpositionen die die gleichen Shirts tragen? Identifizierung auf der cooleren Ebene. Jüngere Menschen würden sich, zugegeben wegen der Kollektion, öfter die Nachrichten sehen oder sogar von sich aus Nachrichtensender einschalten, aber immerhin etwas, oder? Unsere alteingesessenen Hardcorepolitikverfolger würden nicht einmal etwas an Qualität verlieren, ganz im Gegenteil sogar. Und Markenfirmen hätten ein Quadratzentimeter mehr Werbung. Da kann keiner verlieren. Meine Meinung.

Aber, bis das soweit ist, wird es noch eine ganze Weile dauern. Wahrscheinlich länger als die neue Kollektion irgendeiner namenhaften und dann einer No-Name Firma und dann noch länger. Genauer gesagt: Bis sich hier im Land etwas zum Gemütlicheren wendet, werden unsere Zehenträger zu Plattfüßen mutieren, damit diese „eleganten“ Treter nicht mehr beim Stehen oder Laufen wehtun.

Wo wir grad bei der Zukunft sind, da frag ich mich, was wohl als nächstes in Mode kommt. Wir hatten Schlaghosen, Anti-Form-Hosen, Diesel, verwaschene Jeans, zerrissene und genähte, zerrissene um jetzt nur ein paar zu nennen. Was folgt dieser Reduzierung? Vielleicht kommen jetzt längs zerrissene Hosen in Mode oder Jeans die die Hüfte und die Waden betonen, aber am Knie Luft lassen? Oder es kommen endlich die oft proklamierten Jet-Packs mit Raumanzug und entsprechendem Helm als Sommeroutfit von Lagerfeld. Die von Versace wären dann in rosa, von D&C mit Straßsteinchen und bei Ed Hardy wären Totenköpfe drauf, was eventuell einige erschrecken könnte, aber es ist Mode, sowas banales zählt nicht. Oder, ganz verwegen und unvorstellbar, normale, monotone Jeans ohne Risse oder offene Stellen. Wer weiß?
Aber, komme was wolle, es wird, wie jedes Mal, höchstwahrscheinlich einfach an mir vorbei gehen. Dann werde ich wieder irgendwann aus meinen Tagträumen aufwachen und mir resümierend denken: „Was ist passiert?“

Ich werde wohl immer an meinen anormalen Dreiteiler, Unterwäsche nicht mitgezählt, hängen bleiben. Damit werde ich zwar nie auffallen, jedoch immer in jeder Lebenslage gemütlich und ruhig die richtigen Entscheidung treffen.

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