Samstag, 20. Juni 2009

Verschieden

(Whyte) Sie kommt nicht wieder. Das weiß ich. Obwohl, vielleicht ja doch. Dafür müsste ich etwas machen, aber ich werde nichts für sie tun. Naja, eigentlich werde ich schon. Au man, sie kommt immer noch nicht. Später werde ich ihr sagen, dass ich es hätte anders sagen können. Das wird sie dann verstehen, da bin ich mir fast sicher. Und ich meine, es war nur ein Spruch, nur Wörter, so sauer kann sie deswegen nicht sein. Wo bleibt sie? Vielleicht wartet sie um die Ecke auf mich? Das wird es sein, sie wartet auf mich. Warten nicht in allen Filmen die Frauen immer auf die Männer? Gilt da nicht diese Drei-Sekunden-Regel? Ich muss die Initiative ergreifen und sie zurückholen. Aber wie? Was soll ich sagen? Eine Entschuldigung würde zuerst….nein, stopp. Was mach ich? Wenn ich jetzt losgehe, komme ich mir selber nicht männlicher vor. Aber bin ich maskuliner, wenn sie zurück kommt, obwohl sie sauer ist, oder, wenn ich ihr hinterhergehe und sie wieder ruhig stimmen kann, obwohl sie so wütend ist? Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich…ruf einen Freund an. Aber sie darf mich dabei nicht sehen. Oder soll sie mich sogar sehen und denken, mir ginge alles am Allerwertesten vorbei?

„Jo?“
„Ay, was geht?“
„Mist. Ganz viel Mist.“
„Wieso? Was passiert?“
„Ich hab etwas Dummes gesagt.“
„Und?“
„Zu ihr.“
„Und?“
„Sauer.“
„Ach, dachte was richtig Schlimmes.“
„Im Moment wirkt es schon so.“
„Ja, im Moment wirkt es auch seltsam, dass Du mich anrufst und ihr nicht hinterher läufst.“
„Ja, wirkt das nicht zu seltsam auf meine Männlichkeit?“
„Achja. Warte, nein, tut es nicht. Männlich wäre es, wenn Du sie sauer machst und sie zurück kommt, ohne dass Du etwas tun musst. Da das ja eh nicht passiert ist, kannst Du sie auch gleich suchen.“
„Toll.“
„Man, mach Dir mal wegen sowas nicht in die Hosen. Sowas legt sich schnell.“
„Ja, gut möglich. Nur je schneller, desto besser.“
„Je Stella?“, fragt er mich und lacht.
„Nein.“ Pause „Hau rein.“
„Peaz“

Toll, jetzt ist nicht nur meine Freundin weg, ich bin auch nicht mehr männlich. Toller Tag. Meine Hände sind schwitztig, aber meine Nerven behalte ich noch. Wäre doch gelacht, wenn ich keinen Weg finde. Gut, okay, ich brauche Hilfe. Aber nicht viel. Nur ein bisschen Hilfe. Bisschen viel. Aber was für welche! Was für welche? Weibliche natürlich. O, ich hoffe, sie ist nicht arbeiten.

„Huhu“
„Aaaa, welch ein Glück. Musst Du nicht arbeiten?“
„Ne, hab heute frei.“
„A, cool. Jetzt ganz schnell: Sie ist abgehauen, während wir was gegessen haben. Was soll ich tun?“
„Weswegen?“
„Achso, vergessen zu sagen: Ich habe etwas Gemeines gesagt.“
„Was frag ich auch?“ Vor meinem geistigen Auge konnte ich sie mir richtig visualisieren, wie sie sich mit der Hand gegen den Kopf stößt.
„Ja, was jetzt? Ich bin voll verzweifelt. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Sie ist schon mindestens zehn Minuten weg.“
„Hmm, wo ist sie denn hin?“
„Keine Ahnung. Ich bin hergefahren, also kann sie nicht so weit sein.“
„Hast Du sie angerufen?“
„Ja, Handy aus.“
„Tja, so ungern Du es tust: Lauf ihr nach. Das will sie, das braucht sie und das ist ihr wichtig. Sowas brauchen Frauen auch mal.“
„Ja, aber wieso? Wieso so viel Drama? Ich habe nichts Schlimmes gesagt. Nur…“
„Is doch egal, was Du gesagt hast. Für sie zählt noch der Tonfall, die Art, die Umgebung, Stimmung, Atmosphäre – Sachen von denen Du keine Ahnung hast.“
„Ich hab‘s begriffen. Also hinterher?“
„Jo, würd ich sagen. Würde ich ja auch so wollen.“
„Und dann?“
„Maaaaan, Du entschuldigst Dich, nimmst sie in den Arm, entschuldigst Dich nochmal, sagst was tolles, machst ‘nen Witz und zack, ist wieder alles okay. Jedenfalls erstmal.“
„Gut, danke.“
„Männer. Weißt Du, immer sagen, Du wärst Superman und so, aber dann nicht einmal so etwas Einfaches auf die Beine bekommen. Man, man, man.“
„Hey. Ich bin und bleibe trotzdem….“
„Quatsch jetzt keine Opern, Du Pappnase, gehe ihr jetzt hinterher und sag mir nachher, wie‘s gelaufen ist. Tschö!“

Aufgelegt. Als ob das so einfach wäre. Wie stellt sie sich das vor? Naja, gut, eigentlich, wenn man es gelassen sieht, ist es einfach. Nicht dieses „ich gehe mir jetzt Brötchen kaufen“-einfach, sondern eher ein „wie spreche ich dieses Mädchen am besten an“-einfach. Und außerdem, sie ist eine Frau, sie weiß, wovon sie redet. Egal, ich will trotzdem nicht. Ich ruf lieber noch einen anderen Freund an. Vielleicht hat der ja eine Idee, wie ich den Mittelweg zwischen „Klischee-Mann bis zum letzten Atemzug“ und „ Baby“ finde. Ich hoffe es.

„Hallo?“
„Hey, ich bin‘s, Whyte.“
„A, hey. Was gibt’s?“
„Also…hast Du keine Uni?“
„Doch, also mach schnell.“
„Also, wir sind mit dem Auto rausgefahren, diesen übelst langen Weg von dem ich Dir erzählt habe, haben uns ein Restaurant ausgesucht und was gegessen. Dann hat sie mir etwas erzählt und ich habe das darauf geantwortet.“
„Okay.“
„Und nun ist sie sauer.“
„Und das wundert Dich?“
„Ä, ja. Ich bin ehrlich gesagt, ziemlich verzweifelt grad.“
„Danke. Natürlich ist sie sauer, wärst Du das nicht?“
„Nein? Ich finde so etwas überhaupt nicht schlimm. Es ist eben nur die Wahrheit.“
„Okay. Aber sie ist sauer, sie ist nicht wie Du. Ich meine, Whyte, was erwartest Du?“
„Ja, keine Ahnung. Ich hab es immer noch nicht gelernt.“
„Nein, hast Du nicht. Jetzt geh zu ihr und entschuldige Dich.“
„Aber, das kommt so kacke.“
„Ja, Du warst ja auch kacke zu ihr. Also hast Du keine Wahl.“
„Hab ich nicht? Nicht mal, wenn ich…“
„Nein.“
„Und wenn…“
„Nein.“
„Ach verdammt, seist Du. Du bist schuld?“
„ICH?“
„Ja, Du.“
„Okay. Ich lege jetzt auf, Du gehst Dich entschuldigen und alle sind glücklich. Ciao.“

Was haben die alle? Ich will sie nicht suchen müssen. Sie soll wieder zurück kommen. Ich werde es denen zeigen, dass es noch einen anderen Weg gibt. Einen, den sie alle nicht kennen. Und ich kenn da auch schon jemanden, der mir genau sagt, was ich hören will.

„Hallo?“
„A, hi. Ich bins, Whyte.
„Joooo, was geht?“
„Ganz wichtig jetzt, denn ich hab ein Problem: Sie ist gegangen, weil ich etwas Gemeines gesagt habe. Was jetzt?“
„Was?“
„Sie hat mich sitzen lassen, weil ich gemein war.“
„Warte, ich mach mal kurz die Kiste lautlos. Nochmal: Er hat Dich sitzen gelassen, weil Du geweint hast? Tja, ich würd sagen, Korb, nicht?“
„Nein.“, seufzte ich, „Ich gemein, sie gegangen.“
„Achso.“
Pause
„Ja,“ unterbrach ich die Schweigesekunden, „Und nu?“
„Ja, keine Ahnung.“
„Was hast Du vor?“
„Soll ich ihr hinterher laufen?“
„Nein, auf keinen Fall. Hallo? Sowas kommt gar nicht gut.“
„Soll ich sitzen bleiben?“
„Ich weiß nicht, probier einfach mal. Wenn sie nicht wiederkommt, so in fünf Minuten, dann ruf sie einfach an.“
„Hab ich probiert, ihr Handy ist aus.“
„Hmm, aber Du musst sie überzeugen, dass es nicht so schlimm war.“
„Ja, aber wie denn?“
„Appellier irgendwie an ihre Gefühle, warum Du sie liebst und so.“
„Hmm und wie soll ich das tun?“
„Na, sag es ihr.“
„Nein, ich meine, wenn ich hier sitzen soll und sie nicht herkommt, wie soll ich mit ihr reden?“
„Dann such sie einfach mal, vielleicht findest Du sie irgendwo in der Nähe.“
„Das hat mir nicht viel weitergeholfen, aber danke für den Tipp“
„Kein Ding man. Hast Du letztens die Updates gelesen?“
„Aaaaa, dafür hab ich jetzt echt keine Zeit. Ich muss auflegen. Bye bye.“

Okay, der Tipp war wertvoll, die Ausführungs-Idee nicht. Was soll ich jetzt tun? Entweder ist sie schon weiter weg, oder wartet immer noch. Beide Fälle sehr ungünstig für mich. Ich habe ihr eine SMS geschrieben und sobald ich die Bestätigung bekomme, weiß ich, dass ihr Handy an ist. Nervös zittern meine Knie. Ich verzweifle langsam immer schneller, wie viel Zeit ist vergangen? Zehn, 15, 20 Minuten? Ist das zu lange? Kann ich jetzt aufstehen und sie suchen? Oder soll ich noch warten? Das ist langsam zu viel für ein Machtspiel. Vielleicht ist sie wirklich sauer, vielleicht wird sie

„Hey, Schatz“
Ich bin sprachlos.
„Mit wem hast Du telefoniert?“
„Ä, Du weißt schon. Mit Yell-O, DeePerpel, Blu und Griin.“
„Und, was sagen die so?“
„Ach, labern alle nur Mist.“
Stille. Der Witz kam zu früh.
„Warum bist Du…wo warst Du?“
„Ist doch egal.“
„Ist alles okay? Der Spruch vorhin war blöd, ich weiß und es tut mir so krass leid.“
„Ja, ich weiß. Ist schon okay. Wirklich.“
„Alles klar bei Dir?“
„Ich hab Dich telefonieren sehen.“
„Die ganze Zeit?“
„Jup. Und Deine Nervosität, Anspannung, Dein Gesicht – das ganze Paket.“
„U-u-und?“
„Nichts. War wie Kino.“


Im Endeffekt läuft es doch wie immer.

Dienstag, 2. Juni 2009

Recht? Link?



„Mein Junge, komm nicht vom rechten Weg ab!“

In guten Filmen wird an dieser Stelle die Frage gestellt: „Woran erkenne ich den?“ Und da ist der Lehrling der Weise, denn wer der Meinung ist auf die Frage eine Antwort zu haben, muss ein verdammt guter Rätzelknacker sein. Der würde wahrscheinlich auch „Wie macht man eine normale Wachskerze aus, wenn nicht einmal unter Wasser halten funktioniert?“ ohne weiteres lösen. Mir käme es als Antwort auf jeden Fall unmöglich vor dieser Frage gerecht zu werden.

Was ist richtig und was ist falsch? Bei moralischen Fragwürdigkeiten wie Atomkraft, Genmanipulation und Marihuana, oder kleineren Sachen wie die Entscheidung zwischen gebleichtem und Recyclingpapier sind verschieden Ansichten ja schon ein bekannter Streitpunkt, aber wie sieht es mit Sachen aus die man als ganz selbstverständlich erachtet? Gibt es vielleicht sogar Themen die man als so selbstverständlich erachtet, dass man sich darüber noch nie Gedanken gemacht hat, und deshalb nicht einmal seiner eigenen Meinung ist?

Ich will mal zwei der unumstößlichsten, bekanntesten, ältesten Grundsätze ansprechen die existieren: Die zehn Gebote. V DU SOLLST NICHT MORDEN! Eindeutige Sache! Oder? Was ist denn wenn ich die Möglichkeit habe jemanden umzubringen, der nur dadurch davon abgehalten werden kann zwei andere zu töten? VII DU SOLLST NICHT STEHLEN! Es ist schlecht anderen ihr Hab zu nehmen! Aber waren wir nicht alle von Robin Hood begeistert? Zeigen wir nicht genau das unseren Kindern? Von den Korrupten nehmen und den dürftigen geben. Das ist doch nur gerecht, oder nicht? Gerecht? Geunrecht?

Wir wissen, dass es da draußen Menschen gibt die diese andere, böse Meinung haben, aber wir denken von den Menschen um uns herum automatisch, dass sie so ticken wie wir. Fragen sie doch mal ihre Liebsten... Würdest du lügen um jemanden nicht zu verletzen, oder ist dir die Wahrheit heilig? Würdest du vielleicht sogar lieber angelogen werden als eine schmerzhafte Wahrheit offenbart zu bekommen? Ist es betrug wenn der One-Night-Stand genau auf einen der zwei Tage fällt für die man in der Hitze des Gefechts mal wieder Schluss gemacht hat? Sollte man seine Kinder zu Tätigkeiten zwingen die sich später mal positiv bemerkbar machen, oder haben auch schon vierjährige das Recht auf Entscheidungsfreiheit?

Wenn man mal genau darüber nachdenkt ist das doch genau der Unterschied, der einen schlechten Menschen ausmacht!? Ich möchte meinen, dass ein gewisser Herr Bin Laden felsenfest davon überzeugt ist, auf dem rechten Weg zu sein. Sogar der ehemals mächtigste Busch der Welt wurde nicht nur in allen anderen Ländern der Welt, sondern sogar in seinem eigenen Reich von vielen Menschen verachtet. Auch Rassismus existiert noch in seinen etlichen Variationen und deren Stufen und noch immer haben alle Recht und alle anderen sind die Dummen.

Aber so einfach ist es um recht und unrecht leider nicht immer bestellt. In vielem sind recht und unrecht enthalten. Ein gutes Beispiel hierzu sind die meisten gesellschaftlichen und politischen Systeme. Betrachten wir einmal den Kommunismus: Der Gedanke, dass alle Menschen gleich sind und keiner mehr wert als ein anderer wird auch von Befürwortern des Kapitalismus als recht und nicht als rechts empfunden. Einer für alle und alle für einen! Was ist Kommunismus anderes als das friedliche, freundliche, freudige zusammenleben einer riesigen Familie, in einem Land in dem alles jedem gehört? Niemand ist auf die Arbeit des anderen neidisch denn Ärzte und Straßenfeger verdienen nahezu das selbe. Aber ist das denn fair? Ein Mensch schuftet sein Leben lang um nach jahrelangem Stress und Aufopferung seiner Jugend die Kompetenzen die man als Arzt braucht zu haben und dann verdient er kaum mehr als sein Nachbar, der die letzten fünf Jahre seine Gehirnzellen mit Alkohol bekämpft hat, weil es solchen Spaß macht zu grölen und jetzt als Chauffeur für Pizze arbeitet. Das könnte im Kapitalismus niemals passieren! Hier hat jeder schön sein Hab und auch sein Gut und wenn er sich geschickt anstellt und hart arbeitet, kann er Milliarden machen. Leider kann man hier auch bei noch so viel Anstrengung in den Massen der sich anstrengenden Menschen, die vielleicht, oder sogar wahrscheinlich Vorteile wie gutes Aussehen und einen Überschuss an Vitamin B haben, untergehen.

Recht und Unrecht unterscheiden sich auch nicht nur von Nachbar zu Nachbar, sonder auch von Kultur zu Kultur und auch innerhalb einer Kultur wandeln sich die Auffassungen mit der Zeit. In manchen Kulturen, gilt es als Besonderheit die Haare einer Frau zu sehen, in anderen Laufen die Menschen den ganzen Tag über fast nackt in der Gegend herum. Es ist erstaunlich wie viele Länder noch immer mit dem Tod strafen dürfen. Man braucht nur nach Asien, oder Afrika zu reisen und man stellt fest, dass das was wir für selbstverständlich erachten, gar nicht so selbstverständlich ist. Im Mittelalter hatten Landesherren das Recht der Prima Nocta. Wenn ein Bauer sich eine Frau nahm, durfte der Landesherr sie entjungfern. Das ist heutzutage so unvorstellbar, dass es unglaubwürdig klingt. Die Scheidungsrate steigt seit über 100 Jahren, Jugendliche haben immer früher zu ersten Mal Sex. Was erwartet uns in der Zukunft? Darf der Normalsterbliche irgendwann keine Kinder mehr zeugen, sondern nur noch die Elite? Gibt es irgendwann Sex-Orgien in der U-Bahn? Klingt zwar heute noch unglaubwürdig, aber...


Yin – Yang, schwarz – weiß, böse – gut.. was tun?

Nach meiner Meinung muss man sich genau dieses Problems bewusst werden. Um mit Recht und Meinung umgehen zu können muss man im Hinterkopf behalten, dass niemand, auch man selbst nicht, die ultimative Meinung hat und, dass mein Recht vielleicht dein Unrecht ist. Vielleicht reicht ja schon der Gedanke, um ein bisschen fairer zu sein. Und wenn wir uns die Zeit nehmen darüber nachzudenken welcher Meinung wir wirklich sind bevor wir es in die Welt heraustragen, wartet ein gerechteres Miteinander auf uns. Davon bin ich überzeugt.


Post Scriptum: Die einzige hinnehmbare Antwort die mir für den Lehrling einfällt wäre: „Das musst du selbst herausfinden, mein junger Padawan!