Donnerstag, 24. September 2009

Liebe allein muss doch den Magen füllen

(by Whyte) Kennt Ihr das Gefühl in einer fremden Stadt zu sein, aber irgendwie weder vom Reisenden-Mob noch von den Einheimischen mitgerissen zu werden? Genau zwischen Tourismus-Träumerei und Tatsachen befinde ich mich in Paris und sehe auf der einen Seite das romantischste Phallussymbol der Welt, in der Nacht glitzernd und leuchtend, und auf der anderen Seite verdreckte Slums mit tausend verschiedenen, billigen Imitaten monumentaler Einrichtungen, welche wiederum wahlweise leuchten, blinken oder strahlen. Traumhaft leichte Violinisten laden zwar zum Schwelgen und Vergessen ein, aber urinverseuchte Bahnhöfe und stinkende Gassen hingegen holen uns Über-Flieger wieder auf den Boden zurück. Keine Sekunde in der wir nicht von irgendwelchen Verkäufern wegen Schnüre und Souvenirs angesprochen oder netterweise gefragt werden, ob wir denn Englisch können.

Willkommen in Paris.

Von der oft proklamierten Stadt der Liebe ist nicht mehr viel Glanz übrig. Einzig ein einstmaliger Hauch von Glamour hängt noch in Fetzen über Frankreichs Aushängeschild und verzaubert nur noch reiche Besucher, während die Geheimtipps, beziehungsweise die für Reisende vorbereitete Orte, wenig strahlend den ehemals höchstmöglichen Grad an Romantik noch zu retten versuchen. Paris zeigt sich im Überblick, auch ohne graue Wolkendecke, triste und lieblos. Enge Straßen und gestapelte Wohnungen quetschen sich auf engsten Raum nebeneinander und erzeugen so ein Chaos ohne seinesgleichen. Hier gleicht die Stadt monotone Häuserreihen durch eine große Weitsicht aus: Ihr sehr nicht viel schönes, dafür aber sehr viel davon.

Doch meiner Freundin macht das alles nichts aus und sie zeigt mir (Achtung: Wortspiel) beinhart alles Wichtige. Während mir die Waden krampfen und die Sohlen brennen, stapft sie weiter, als hätte sie gerade erst das Laufen erlernt und muss nun alles erkunden. Fand ich anfangs blöd, aber sie bewies mir schnell, dass Paris mehr ist als nur ein für das weibliche Geschlecht stärker schlagendes Herz, welches durch den Verlust „des Größten“ droht seine Symbolik zu verlieren. Wenn auch mehr Attraktionen als Sehenswürdigkeiten weiß Paris den Glanz des Louvre, des Turms und des Arc de Triomphs gekonnt in Szene zu setzen. Besonders an nebelfreien Tagen kann die Stadt mit seinem unvergleichlichen Blick viele Touristen verwundern. Ja, sogar ich konnte mich vor ein wenig Magie nicht retten und schreibe diesen Text geistesabwesend in mein Buch, während ich auf den Stufen des Sacre Coeur sitze, die Besucher an mir vorbeiziehen und mich die sanften Tönen einer Harfe und einer Violine bei meiner Dokumentation begleiten. Das Gute daran: Die dadurch entstehende Eigendynamik lenkt ein wenig von der Realität ab. Und darum geht es je gerade in Paris: Realität zur Seite schieben und in einer Traumwelt schweben gehen.

In den letzten Minuten in Paris begegneten wir dann doch einer Hülle an verschiedenen Künstlern die musizierten, spielten, malten, zeichneten, tanzten und mysteriöse Bewegungen mit Kugeln veranstalteten. Was sie dann da letzten Ende fabrizierten und darin interpretierten sei denen dann selbst überlassen – beeindruckend war es allemal.

Abschließend bleibt mir nur zu sagen, dass sich der Besuch in Paris für mich persönlich nicht gelohnt hat, da ich den Verlust meiner Sichtweise von Paris nicht mit den gewonnen Erfahrungen und Besichtigungen aufwiegen kann, aber allein der Gesichtsausdruck meiner Freundin war die beschwerliche Reise allemal wert.
Und: Wer sich das bisschen Restmagie noch erhalten möchte, mietet sich einen Roller oder ein Fahrrad. Ihr erspart euch Gestank, Schuhe, Müdigkeit und von den Bahnhöfen ganz zu schweigen.