Donnerstag, 19. November 2009

Feuer für die brodelnde Küche

Sylvester steht noch nicht einmal halbwegs an der Tür und da heizt uns Infinity Ward schon mächtig mit Bomben und Krachern ein. Uns war allen klar, dass hinter dem Projekt der Jungs aus der Gaming-Branche mehr steckt als nur ein Mini-Böller und einem Knallfrosch, allerdings hätte ja keiner ahnen können, mit welchem Napalmfeuerwerk uns dieses Team den Himmel verdecken würde.

Denn der neueste Ableger der Modern-Warfare-Reihe ist erschienen und dieser hat es faustdick hinter den Ohren. Bewegte sich schon „Call of Duty – Modern Warfare“ auf dem Draht des guten Gewissens zwischen „Das ist Realismus, das muss so sein“ und „Das könnte eventuell wahrscheinlich vielleicht der Grund für aggressive und potentielle Amokläufer sein“, so schickt uns „Modern Warfare 2“ auf eine Reise, die wir bislang nicht antreten wollten, vor der wir uns genierten, ja, vor der wir Angst hatten, zerfleischt zu werden. Seitdem die Medien, die Politik und eigentliche jeder besorgte Elternteil eine Beziehung zwischen ihren in dem Sozialisationsprozess missglückten Kindern und „Killerspielen“ suchen, fällt es uns Spielliebhabern immer schwerer, Gegenargumente für diese Verbindung zu finden. Da sich die Opposition mit der Materie nicht auskannte, wurde auf einer unglaublich oberflächigen Ebene die Schuldzuweisung tradiert. Teilweise so weit, dass sich unsere „reifen und verantwortungsvollen“ Politiker wie kleine Sprösslinge benahmen, die schlichtweg alles nicht- und unbekannte als „schlecht“ rot markieren und ein Verbot nach dem anderen erlassen wollten. Das als „nicht richtig“ einzustufen, war uns allen klar. Dennoch brauchte das Volk einen Sündenbock, jemand, der seinen Kopf hinhält und dazu sind gewaltverherrlichende Spiele mit Waffen, Blut und explodierenden Granaten wie geschaffen.

Bis dato befand ich mich noch auf der Seite der Spieleindustrie. Habe versucht zu erklären, dass die Amokläufe nicht nur entstanden, weil die Jugendlichen sich in ihrer Selbstfindungsphase an einer virtuellen Welt orientierten, sondern eher, weil einige Elternteile in ihrer Rolle als Pädagogen versagt haben. Diese hatten den Hoffnungsschimmer, ihre Schuld auf die Spiele zu lasten und ich meinen, dass das ein guter und nachvollziehbarer Grund ist (nachvollziehbar für jeden zumindest, der bereit war zu akzeptieren, dass er/sie einen Fehler begangen hat). Doch seit knapp einer Woche weiß ich nicht mehr so genau, wie ich nun diese Stellungnahmen noch vertreten soll.

Das Kontroversteste an „Modern Warfare 2“ ist eine Mission in der wir als eingeschleuster Terrorist in einem Flughafen unschuldige Zivilisten … . Es ist und bleibt ein Haufen an Polygonen, aber irgendwie schlägt einem als Spieler diese Szene doch auf den Magen und erschreckt mit einer unglaublich realistischen Darstellung. Simpel, aber schockierend.

Für jeden über 18 und diese, die es sich zu muten könne/wollen.

Man beachte dabei immer: Wir, als Spieler, befinden uns dort am Abzug. Wir als Spieler feuern mit der Waffe für das „höhere Gut der Mission und Menschheit“.

Für uns in Deutschland erscheint das Spiel geschnitten und mit der Option, diese Mission zu überspringen. Tun wir dies nicht, dürfen wir diesem Abschnitt zwar beiwohnen, doch dürfen nicht auf Zivilisten schießen, da dann das Spiel vorbei wäre. Automatisch. Gut für die, die nicht abdrücken wollten, schlecht für die, die 60 Euro für ein realistisches Gameplay und Interaktivität bezahlen. Denn der Schnitt drückt dann doch wiederum an dem Authentizitätsgrad. Wenn wir als Soldat in einer Terroristenorganisation eingeschleust werden, mit denen eine Mission durchführen in der wir nichts tun, wirkt das viel zu auffällig. Aber dies soll nicht Teil meines Kommentars sein, jedenfalls nicht heute.

Mir fällt auch absolut nichts dazu ein, wie ich diese Spielkategorie noch verteidigen soll. Es ist wie Nils es sagt: Wenn mir jemand sagt, dass ein Amoklauf begangen werden soll und man findet bei ihm auf dem Rechner Modern Warfare 2 – dann bin weder ich noch irgendein anderer in der Lage die Differenz und die Absurdität der Relation von „Killerspielen“ und „missglücktem gesellschaftlichem Einbinden“ zu beschreiben. Es ist schwer, wenn nicht sogar unmöglich Spiele in einen Kreis anerkannter Kulturelemente einzufügen, wenn Teams wie Infinity Ward die Pauschalisierung der Shooter vereinfacht und so viel Zunder und Schund in den kochenden, brodelnden und ohnehin schon viel zu heißen Kessel wirft.

Hier ist noch eine Diskussion der „Game One“-Mitglieder, die nicht nur meine, sondern auch die Meinung vieler anderen vertreten.

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